…war, nun ja, sagen wir mal, hoch interessant. Wie zuvor erwähnt traf ich auf einem kleinen Platz einen ebenfalls etwas orientierungslosen Thai. Nach dem besagten zögerlichen Lächeln und der obligatorischen Frage „Where are you from?“ kamen wir auch gleich ins Gespräch. Wie sich herausstellte war Jai, wie er sich mir vorstellte, ein Tourist aus Ayutthaya, einer Stadt ca. 1 Stunde nördlich von Bangkok. Er machte Urlaub.
Der erste Teil des Abends verlief dann wirklich schön. Er wollte noch zu einem Tempel, also kam ich gleich mit um ihn zu besichtigen. Er betete sogar dort. Es war eine sehr ruhige und erhabene Atmosphäre. Davon angetan spendete ich auch ein paar Baht und zündete zwei, drei Räucherstäbchen an. Zudem gab es noch ein paar interessante Fakten zu der Anlage, dem Buddhismus und der Geschichte der Thai sowie vor allem zu generellen, wichtigen Verhaltensregen in Tempelanlagen.
Danach folgte noch eine Zweite. Dieser war zwar schon geschlossen aber auch von außen mit einer aufwändigen Beleuchtung recht hübsch anzusehen. Mittendrin gab es einen kleinen abgesperrten Bereich. Dort wurden und werden, so erzählte mir Jai, hochrangige Staatsgäste empfangen. Darunter auch Angela Merkel. Nun ja…
Während des Laufens durch die Straßen redeten sehr viel. Über unsere Familien, Deutsche und Thais, das Reisen sowie natürlich über Buddha und den Buddhismus. Außerdem gab er mir noch viele Hinweis und Tipps zu kostenlosen Sehenswürdigkeiten in Bangkok. Alles in allem sehr informativ.
Danach wollten wir noch etwas essen gehen. Also nahmen wir ein Taxi in den westlichen Teil von Bangkok. Jai zahlte. Wir gingen in ein kleines Restaurant, was er noch aus alten Studentenzeiten her kannte. Schließlich hatte er damals 8 Jahre in Bangkok verbracht. Der Abend war bis dahin sehr gelungen. Lokale Leute vor Ort kennenlernen, interessante Gespräche und vor allem die Aussicht auf authentisches Essen, auf das ich mich am meisten freute.
Im Restaurant angekommen wurde erst einmal Bier bestellt. Wer mich kennt weiß, dass ich dieses Getränk nicht all zu sehr schätze. Aber man will ja nicht unhöflich sein. So wurde mir prompt ein Glas vorgesetzt indem zunächst reichlich Eis und dann etwas Bier eingeschenkt wurde. Wir unterhielten uns weiter, vor allem über das Reisen und die Sicht auf die Dinge in der Welt.
Inzwischen war es gegen 20 Uhr. Als das erste Bier alle war folgte ein zweites. Dessen Wirkung war Jai dann auch schon etwas anzumerken.
Es ist schon interessant wie Deutsche im Ausland wahrgenommen werden. So fragte mich Jai ERNSTHAFT (!), ob Ost- und Westdeutschland inzwischen zusammengehören. Kein Kommentar!
Dann gleich das nächste Klischee. „Have you ever been to the Octoberfest?“. Nach einem zögerlichen ja versuchte ich Jai klarzumachen, dass die Bayern nicht unbedingt für ganz Deutschland stehen. Es ist mir echt ein Rätsel warum sich dieses irrige Bild so fest in den Köpfen hält. Wenigstens konnte ich bei Jai etwas für Klarheit sorgen. Er war überaus überrascht, dass die Deutschen so nett, offen und sympathisch sind. So ein Deutscher sein ihm noch nie begegnet. Ich fasse das an der Stelle mal als Kompliment auf. Aber er hat schon recht, dass die Deutschen durchaus reserviert, manchmal ein bisschen steif und miesepetrig sowie mitunter etwas behäbig sind. Da ist schon was dran.
Neben den Gesprächen und dem Bier waren wir ja auch zum Essen eingekehrt. Nach einer kurzen Frage ob ich Fisch mag, bestellt Jai auf thailändisch eine gemischte Fischplatte mit diversen Soßen von süß bis sehr scharf und frittiertem Basilikum. Alles in allem ganz lecker.
Und wir unterhielten uns weiter. Vor allem über Fußball. Ich hätte echt nicht gedacht, dass deutscher Fußball so populär in Thailand ist. Vor allem die erste Bundesliga. Der Typ konnte mehr Vereine aufzählen als ich. Gesprächsthema war dann natürlich auch die Weltmeisterschaft. Auch was die Namen der Nationalmannschaft angeht war Jai überaus sicher. Nur mit der Aussprache haperte es noch etwas. Das dritte Bier wurde bestellt.
Nachdem Fußball begann ein recht lustiger Sprachkurs Thai – Englisch – Deutsch. Wir brachten uns gegenseitig ein paar Brocken der jeweils anderen Sprache bei. Für mich ganz wichtig: wie man nicht ganz so scharfes Essen bestellt. Pett Nid Noy – Nicht so scharf. Am Ende des Crashkurses stellen wir beide fest: Thai ist sehr melodisch, geprägt von kurzen, vokalreichen Worten und Deutsch ist einfach nur kompliziert mit langen, sperrigen Wortmonstern und seltsamen Umlauten.
Das dritte Bier zeigt inzwischen schon sehr deutlich Wirkung bei Jai. Dies hielt ihn aber nicht davon ab nach dem Essen noch eine kleine Flasche Rum zu bestellen. „For my new best friend from germany only the best rum.“ Ah ja.
Nebst Rum wurde noch etwas Cola und eine Flasche Wasser geordert. Nach dem ersten Glas, bestehend aus ca. 1/3 Rum, 1/3 Eiswürfeln und etwas Cola-Wasser-Gemisch mit einem kleinen Spritzer Limette, begann mir Jai mir aus der Hand zu lesen. Er habe das mal in einem Kurs gelernt. Erstaunlicherweise traf davon recht viel zu. Aber ich denke, das lag eher daran, dass er sich die Sachen aus den vorangegangenen Gesprächen gemerkt hatte. Ein Wunder in dem Zustand.
Nach dem zweiten Glas, das Verhältnis vom Rum zum Rest war nun noch höher, wurde es langsam anzüglich. Ich denke ihr könnt euch das vorstellen. Morgen wolle er weiter nach Pattaya. „To enjoy live, you know.“ Alles klar. Auch heute Abend habe er noch großes vor. Inzwischen war mir schon klar warum er zwei mal geschieden war. Es war jetzt schon gegen 22 Uhr.
Immer wieder das nervige: „You like man, woman or ladyboy?“ Mittlerweile wollte ich nur noch zurück ins Hotel. Ich hatte ja seit 36 Stunden nur knappe zwei Stunden im Flieger geschlafen. Mehr oder weniger. Jai schenkte sich nun mehr das dritte Glas ein und orderte noch etwas Cola, Wasser und Eis nach. Inzwischen schien es als würden die Minuten in etwa so fließen als der Bangkoker Verkehr zur Rushour.
Nachdem ich Jai’s überdeutliche Angebote zu heute Abend mehrfach ausgeschlagen und mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass ich WIRKLICH müde bin, kam dann endlich der weise Entschluss zu gehen. Ich ging aufs Klo. Jai orderte die Rechnung. Das Klo war ebenfalls schon gezeichnet von Jai’s Alkoholkonsum. Man konnte noch einige Reste des Fischs erkennen.
Als ich dann wieder an unseren Tisch kam, traf mich der nächste Schlag. Die Rechnung belief sich auf knapp 5.000 Baht. Das sind umgerechnet ca. 122 EUR! Ein kleines Vermögen in Thailand. „We share, right? Right!“ Damit hatte ich nun absolut nicht gerechnet. Jai’s Rum entfaltete überall seine Wirkung. Auch auf der Rechnung. Nun ja, also teilten wir uns in die Rechnung rein. Jai legte 3.000 Baht auf den Tisch. Ich wühlte in meinen Taschen, hatte selbst aber nur noch 1.300 einstecken. Also erst einmal zum nächsten Geldautomaten. Der Inhaber des Lokals schaute schon etwas mürrisch drein als wir es so verließen ohne vollständig zu zahlen. Jai ließ als Pfand jedoch seinen Rucksack da. Das wäre ein guter Tausch gewesen.
Geld abheben und wieder zurück. Inzwischen regnete es auch stark. Ich legte noch 2.000 Baht dazu. Nun endlich zurück ins Hotel. Denkste! Jai ging erst einmal in den nächsten Supermarkt um noch mehr Bier zu kaufen. Und eine Packung Kaugummi. Ich konnte mir schon denken warum.
Ich wollte zwar kein Bier aber ich hatte keine Wahl. Jai bezahlte. Schließlich riefen wir endlich ein Taxi heran. Dort eingestiegen wehrte ich seine inzwischen überdeutlichen und peinlichen Offerten erneut ab. „You go with me tonight? Have fun. You only live once. We share?“ Nein Danke! Nachdem ich Jai nochmals überdeutlich klar machte, dass ich WIRKLICH, WIRKLICH müde sei, fuhr das Taxi in Richtung Hotel. „Uh, I’ll have fun tonight, with two Woman.“. In dem Zustand bestimmt nicht mehr.
Endlich am Hotel angekommen, stieg Jai überraschender Weise auch mit aus. Er zahlte das Taxi erneut. Ich dachte mir nur: „Werde ich den Typ denn heute gar nicht mehr los?!“. Das Taxi fuhr ab. Draußen herzte er mich noch eine Millionen mal. Wer hätte gedacht, dass betrunkene Thais so aufdringlich und obszön sein können.
Als ich dann endlich gehen wollte sagte er: „What is with the tipp for the Woman? I paid for it.“. Hä, was?! Welche Frau? Was für Trinkgeld? „The one outside the restaurant.“ Aha. Ich konnte mich schon dunkel daran erinnern, dass in der Tat als wir aßen, draußen eine durchaus attraktive Dame gesehen zu haben. Jai hatte mich nämlich überdeutlich darauf hingewiesen. Dennoch hatte ich keine Ahnung wovon er überhaupt redete. „I paid her.“, wiederholt er ständig. „We Share! I paid her 900 Baht!“ Nach endlosen Diskussionen drücke ich ihn dann zähneknirschend noch 300 Baht in die Hand. Er hatte ja auch die Taxifahrten und einen Großteil des Essens bezahlt, wobei sowohl der Rum als auch das Bier in einem ungleichen Verhältnis die Kehlen hinunter geflossen waren. Was solls. Ich wollte nur noch ab ins Bett. Alleine! „That’s all I have left“, betonte ich. Zufrieden schien er nicht. Mürrisch zog er dann endlich von Dannen.
Was für ein Erlebnis. Langsam ging ich in mein Zimmer sehr zermürbt von diesem anstrengenden Abend. Das musste ich erst einmal verarbeiten. Das Angebot ihn bei Gelegenheit einmal in Ayutthaya zu besuchen werde ich mir noch einmal überlegen. Dann ganz sicher ohne Rum. Das war eine Erfahrung, aber was für eine. Und diese kosten bekanntermaßen Geld.
PS: Ich hoffe meine Eltern sind nach dem Lesen dieses Posts nicht vor lauter Schreck tot umgefallen…
Sehr schön geschrieben und interessante Geschichte! Ich könnte mir deinen Reisebericht als Buch vorstellen!
Beim Schreiben konnte ich mir das ein oder andere Schmunzeln auch nicht verkneifen. 🙂